Ob Klimaschutz, Migration, Digitalisierung oder Schuldenabbau - ohne Europa wird es nicht gehen.
Wir müssen endlich damit aufhören, Probleme, die wir in Deutschland nicht lösen können, erst auf die EU zu schieben und dann im eigenen Land darauf zu schimpfen, wie sie in Brüssel gelöst wurden. Das geht nur mit Mut für Veränderungen. Europa muss seine Strukturen grundlegend umdenken und die längst fälligen institutionellen Reformen in Gang setzen. Europa braucht das Initiativrecht für das Europäische Parlament, die Verkleinerung der Kommission, die Erweiterung der Mehrheitsentscheide im Rat, die Abschaffung des Zweitsitzes des Europäischen Parlaments in Straßburg und noch so vieles mehr.
Es ist auch an der Zeit, dass die EU in der Welt mit einer Stimme spricht und ihrer Rolle als global player endlich gerecht wird. Deswegen wollen wir als FDP-Fraktion eine starke gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit einem echten EU-Außenminister, sodass die wichtigen Entscheidungen nicht mehr durch die Vetostimmen einzelner Länder blockiert, sondern mit qualifizierten Mehrheiten schneller und effizienter getroffen werden können. Auch in Fragen der Sicherheit muss Europa mehr Verantwortung übernehmen und durch den Aufbau von eigenen militärischen Fähigkeiten souveräner und handlungsfähiger werden. Das haben uns die dramatischen Entwicklungen in Afghanistan sehr deutlich gezeigt. Die Errichtung einer europäischen Armee unter dem gemeinsamen Oberbefehl bzw. unter parlamentarischer Kontrolle, ein ständiger Sitz Europas im UN-Sicherheitsrat und der Ausbau der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX stehen somit ganz oben auf unserer europapolitischen Agenda.
Ein starkes Europa ist ein Europa der uneingeschränkten Chancen und Möglichkeiten, das auf Innovationen, Digitalisierung und Technologieoffenheit statt Verbote und Überregulierung setzt. Dafür brauchen wir einen soliden und zukunftsgerichteten EU-Haushalt. Das bedeutet mehr EU-Mittel für Bildung, Forschung, Innovation und Digitalisierung, während die Mittel für Struktur- und Kohäsionspolitik umgekehrt zu senken sind. Das bedeutet auch keine EU-Schulden, stabile öffentliche Finanzen und mehr finanzielle Eigenverantwortung der EU-Mitgliedstaaten. Die Aufnahme der EU-Schulden für die Finanzierung des 750 Mrd. Euro schweren EU-Aufbauinstruments „Next Generation EU“ war eine absolute, coronabedingte Ausnahme und darf auf keinen Fall zum Einstieg in eine Fiskalunion führen. Wir müssen möglichst bald zu den Defizit- und Schuldenstandkriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) der EU zurückkehren und die Länder, die dauerhaft gegen die Prinzipien der öffentlichen Haushaltsführung verstoßen, strenger sanktionieren.
Um die kommenden Herausforderungen zu bewältigen, brauchen wir ein wirtschaftsstarkes Europa. Der Freihandel muss gefördert werden, Protektionismus und Abschottung helfen niemandem weiter. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) ratifiziert, den Abschluss des Mercosur-Freihandelsabkommens voranbringt und sich für einen neuen Anlauf für ein umfassendes transatlantisches Freihandelsabkommen einsetzt. Auch die Entwicklungsländer müssen am Welthandel stärker teilnehmen und gleichzeitig einen leichteren Zugang zum europäischen Binnenmarkt genießen können.
Schon dieser kleine Überblick über unsere europapolitischen Prioritäten zeigt: nie gab es mehr zu tun. Dafür brauchen wir mehr Europa. Und Europa braucht uns.