Gerald Ullrich

Rabatte für die neue EU-Plastikabgabe könnten Deutschland 178 Mio. Euro pro Jahr kosten

Die für die Mehrzahl der Mitgliedstaaten geltenden Rabatte im Rahmen der neuen EU-Plastikabgabe könnten Deutschland ca. 178 Mio. Euro pro Jahr kosten. Grundlage dieser Berechnung ist die Antwort der Bundesregierung auf meine Einzelfrage. Hinzu kommt, solche Rabatte würden genau das verhindern, worauf die neue Plastikabgabe letztendlich abzielt: wer wenig recycelt, muss mehr zahlen.

Insgesamt erhalten jährlich 17 Mitgliedstaaten Pauschalermäßigungen, deren Pro-Kopf-BNE im Jahr 2017 unterhalb des EU-Durchschnitts lag. Laut der Argumentation aus Brüssel seien diese Rabatte notwendig, damit sich die betreffenden Mitgliedstaaten auf diese Regelung überhaupt einlassen. Bei aller Schädlichkeit des in Deutschland nicht recycelten Verpackungsmülls, ist dieser Müll noch am wenigsten nachteilig, da wir ihn thermisch verwerten und teilweise energetisch nutzen. Aber die Länder, die Plastikabfälle nicht verwerten, sondern einfach nur deponieren oder sich selbst überlassen, bekommen hierfür Rabatte. Das liefert kaum Anreize für weitere Anstrengungen.

Hinzu kommen die finanziellen Auswirkungen der Rabatte auf den nationalen Beitrag Deutschlands zum EU-Haushalt. Wenn man alle zustehenden Rabatte der 17 Mitgliedsstaaten addiert, erhält man eine Summe von 711.253.200 € (ca. 711 Mio. Euro). Bedenkt man, dass der deutsche Anteil am EU-Haushalt aktuell bei 25% liegt, würde man zum Ergebnis kommen, dass Deutschland 2021 insgesamt für 177.813.300 Euro (ca. 178 Mio. Euro) von benannten ca. 711 Mio. Euro aus den Rabatten zur Plastikabgabe in den 17 Mitgliedstaaten aufkommen soll. Es  ist somit nicht ganz richtig, wenn die Bundesregierung sagt, dass die die neue Abgabe den deutschen Haushalt nicht zusätzlich belasten würde. Und das muss die Bundesregierung auch den Bürgern so erklären.

Bisher weigert sich die Bundesregierung, klare Prognosen darüber zu machen, wie sich die neue Plastikabgabe auf den deutschen Mitgliedsbetrag auswirken wird. Laut der Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Einzelfrage, wird die EU-Kommission die auf jeden Mitgliedstaat entfallende Plastikabgabe für 2021 erst 2023 endgültig berechnen können. Erst dann seien genauere Berechnungen möglich, wie sich diese auf den deutschen Mitgliedsbeitrag auswirken werden.

Hintergrund: Seit dem 1. Januar 2021 gilt in der EU eine neue Plastikabgabe. Die neue Plastikabgabe wurde im Rahmen des mehrjährigen EU-Haushalts 2021-2027 als eine der neuen Eigenmittelkategorie beschlossen, die größtenteils zur Finanzierung des EU-Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ eingesetzt werden sollen. Die Abgabe wird für jeden Mitgliedstaat auf der Grundlage der Gesamtmenge der nicht-recycelter Kunststoffabfälle berechnet (0,80 Euro/Kilogramm). Bei der neuen Abgabe handelt es sich somit um keine neue Steuereinnahme zulasten von Unternehmen, sondern lediglich um eine neue Berechnungsgrundlage für die Abführungen aus den nationalen Haushalten der Mitgliedstaaten an die EU.

Die Mitgliedstaaten, deren Pro-Kopf-BNE im Jahr 2017 unterhalb des EU-Durchschnitts lag, erhalten eine Pauschalermäßigung in einer Spanne von 1,42 Mio. € bis 184,05 Mio. € (in jeweiligen Preisen). Insgesamt sollen davon 17 Mitgliedstaaten profitieren: Bulgarien, Tschechische Republik, Estland, Griechenland, Spanien, Kroatien, Italien, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien und Slowakei. Die im Eigenmittelbeschluss vom 14. Dezember 2020 festgehaltene Pauschalermäßigung auf die Entrichtung der sogenannten Plastikabgabe entspricht der für 3,8 Kilogramm nicht recycelter Verpackungsabfälle aus Kunststoff eigentlich zu zahlenden Plastikabgabe, multipliziert mit der Bevölkerungszahl der betreffenden Mitgliedstaaten im Jahr 2017. Nach dieser Formel stehen den Mitgliedsstaaten die im Folgenden aufgelisteten Rabatte zu:

  • Bulgarien - 22 Million €
  • Tschechische Republik - 32,1876 Million €
  • Estland - 4 Million €
  • Griechenland - 33 Million €
  • Spanien - 142 Million €
  • Kroatien - 13 Million €
  • Italien - 184,0480 Million €
  • Zypern - 3 Million €
  • Lettland - 6 Million €
  • Litauen - 9€ Million €
  • Ungarn - 30 Million €
  • Malta - 1,4159 Million €
  • Polen - 117 Million €
  • Portugal - 31,3220 Million €
  • Rumänien - 60 Million €
  • Slowenien - 6,2797 Million €
  • Slowakei - 17 Million €

 

Erschienen in Welt am Sonntag, 16.05.2021