Gerald Ullrich

Zur Problemlösung Besserstellungsverbot

Auf meine Initiative hin haben die Landesgruppen Ost der Fraktionen FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen Brief an den Bundeswirtschaftsminister, den Bundesfinanzminister sowie die Bundesbildungsministerin verfasst, in dem wir die Anwendung des Besserstellungsverbotes kritisieren und Nachbesserung fordern. Die Grundpfeiler des Mittelstandes bilden die gemeinnützigen industrienahen Forschungseinrichtungen.
Diese Institute sind anders aufgebaut als andere Einrichtungen, deshalb benötigen Sie auch ihre eigene Regelung. Wenn wir hier nichts tun, verlieren wir nicht nur Fach- und Führungskräfte im Osten, es können auch keine neuen angeworben werden. Das müssen wir verhindern. Wir brauchen eine klar definierte, unbürokratische Ausnahme vom Besserstellungsverbot für die gemeinnützigen industrienahen Forschungsinstitute, wie es sie bereits nach dem Wissenschaftsfreiheitsgesetz für andere Institute gibt.

Brief an Bundeswirtschaftsminister, Bundesfinanzminister und Bundesbildungsministerin zur Problemlösung Besserstellungsverbot

„Sehr geehrter Herr Minister Habeck,

als Abgeordnete der ostdeutschen Bundesländer der Regierungskoalition machen wir auf eine Gefährdung der deutschen Forschungslandschaft und des Mittelstandes aufmerksam. Grund ist die praktizierte Rechtsanwendung des Besserstellungsverbotes, dessen Anwendung die bundesweit mehr als 130 privaten gemeinnützigen Forschungseinrichtungen bzw. industrienahen Forschungseinrichtungen (IFE) betrifft. Dem Besserstellungsverbot folgend darf die Vergütung von Beschäftigten in öffentlich geförderten Projekten nicht die Gehaltsobergrenzen nach TVöD übersteigen. Dies erschwert die Anwerbung und den Erhalt von Spitzenkräften aus dem In- und Ausland für IFE erheblich.

Die IFE bilden in Ostdeutschland einen wesentlichen Pfeiler für die mittelständisch geprägte Wirtschaft. Diese Besonderheit ist unmittelbare Folge der Umstrukturierungen der Kombinate in der ehemaligen DDR im Zuge der Wiedervereinigung.

Angesichts des akuten Fachkräftemangels stehen diese Institute vor einer existenzbedrohenden Herausforderung. Durch die vorangegangene Bundesregierung wurden diese Institute aufgefordert, das Besserstellungsverbot einzuhalten. Gerade im Bereich der Geschäftsführer und leitenden Angestellten ist dies jedoch problematisch. Die Vergleichbarkeit mit Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes ist nicht immer gegeben. Geschäftsführer, welche zum Teil Institute mit mehr als 200 Beschäftigten führen und persönlich haftend sind, haben im TVÖD keine klare Entsprechung. Auch sind die Gehälter leitender Angestellter insbesondere mit technischem und naturwissenschaftlichem Hintergrund nicht vergleichbar mit Anstellungen im Bereich der öffentlichen Hand.

Vor diesem Hintergrund stehen die IFE vor einer schwierigen Entscheidung: Entweder sie behalten ihre Spitzenkräfte zu den marktüblichen Konditionen und verlieren dadurch den Zugang zu öffentlichen Fördermitteln. Oder die Institute erhalten weiter öffentliche Zuwendungen und verlieren ihre leitenden Angestellten wegen nicht kompetitiver Konditionen. Angesichts des Fachkräftemangelns insbesondere in Ostdeutschland führt dies zu einem Verlust an Kompetenz und Expertise, den die Institute nicht ausgleichen können.

Die IFE generieren nur einen Teil ihrer Einnahmen aus öffentlichen Mitteln. Durch den Status der Gemeinnützigkeit sind diese Institute ohnehin zur sinnvollen Haushaltsführung verpflichtet und unterstehen der Kontrolle der Finanzbehörden. Dadurch, dass sie auch privatwirtschaftlich aktiv sind, besteht unserer Ansicht nach eine Sondersituation, welche auch gesondert betrachtet wie auch reguliert werden muss. Der Gesetzgeber hat mit § 8 des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes selbst eine Ausnahmeregelung vom Besserstellungsverbot getroffen, welche große institutionelle Einrichtungen betrifft. Es ist nicht zielführend, an anderer Stelle einen Zweig der Forschungslandschaft zu beschneiden, welcher gerade die praxisorientierte Forschung stützt.

Die Neuregelung im Bundeshaushaltsgesetz 2023 mit § 8 Absatz 2 Satz 3 begrüßen wir ausdrücklich, wir halten sie jedoch nicht für ausreichend da durch diese Anpassung nur ein Teil der IFE vom Besserstellungsverbot befreit wird.
Aus unserer Sicht wäre es ein folgerichtiger Schritt, § 8 Absatz 2 BHG 2023 um einen Satz 6 „Satz 4 gilt auch für die unabhängigen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, die gemäß § 55 AO als gemeinnützig anerkannt sind.“ zu ergänzen.

Die Befreiung der IFE vom Besserstellungsverbot hat keine finanziellen Folgen für die öffentlichen Haushalte. Die Personalkosten in öffentlich geförderten Projekten sind begrenzt. Die höheren Entgelte für Geschäftsführer und leitendes Personal müssen vor diesem Hintergrund aus nicht-öffentlichen Mitteln finanziert werden, welche im Fall der IFE am Markt durch Industrieaufträge generiert werden.

Bisher wird eine Ausnahme vom Besserstellungsverbot für die Institute über gemeinsame Genehmigungsverfahren des BMWK und des BMF erteilt. Diese Verfahren sind wenig standardisiert und für die Betroffenen schwer einzuschätzen. Für die bisher eingereichten Anträge sollte bis zum Jahresende eine Lösung gefunden werden, um den Instituten Planungssicherheit für die kommenden Jahre zu geben.

Es ist für den Erhalt der ostdeutschen Forschungslandschaft notwendig, eine praktikable und bürokratiearme Ausnahmeregelung für die gemeinnützigen industrienahen Forschungsinstitute zu schaffen. Sie sollte aus unserer Sicht in Koordination zwischen den drei Ministerien BMF, BMWK und BMBF erfolgen. Langfristig kann nur eine eigene Ausnahmeregelung nach Vorbild des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes mit klaren Verfahrensregeln und Kriterien für die gemeinnützigen industrienahen Forschungsinstitute zu einer Befriedung führen.

Wir freuen uns über die Umsetzung unseres Vorschlags im kommenden Haushaltsgesetz und stehen gern für weitere Anregungen und Fragen zur Verfügung.

Im Namen der Sprecher der Ost-Landesgruppen der Bundestagsfraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Frank Junge, MdB, Paula Piechotta, MdB, Stefan Gelbhaar, MdB, Hagen Reinhold, MdB“