Auch im Bereich Europa wurde zum Ende des Jahres noch viel gearbeitet, in den letzten vier Wochen hatten wir drei reguläre Sitzungen des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union.
Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei den vielen offenen Fragen über das neue 1,8 Billionen Euro schwere EU-Haushaltspaket 2021-2027 gewidmet, welches planmäßig zum 01.01.2021 in Kraft treten sollte. Dieses wird in dem von der Corona-Pandemie stark getroffenen Europa dringend benötigt. So sieht der neue EU-Haushalt insgesamt 750 Mrd. Euro vor, welche im Rahmen des sogenannten EU-Wiederaufbaufonds zur Krisenbewältigung in den EU-Ländern bestimmt sind.
Seine Verabschiedung schien am 10. November endlich möglich zu werden, nachdem die deutsche Ratspräsidentschaft sich mit dem Europäischen Parlament nach mehrwöchigen Verhandlungen auf zusätzliche 16 Mrd. Euro für den EU-Haushalt einigen konnte. Mitte November haben Ungarn und Polen den neuen EU-Haushalt dann aber im Rat der EU mit ihrem Veto blockiert. Grund dafür war der neue Rechtstaatsmechanismus, der mit dem neuen EU-Haushaltspaket direkt verbunden ist. Dieser knüpft die Mittelvergabe aus dem EU-Haushalt an die Einhaltung von klaren Kriterien der Rechtsstaatlichkeit, wie unabhängige Gerichte, Medienfreiheit oder Schutz von Minderheiten. Dies wollen Ungarn und Polen, wo diese Prinzipien in der letzten Zeit immer öfter verletzt werden, um jeden Preis verhindern.
Dementsprechend haben wir Freie Demokraten uns im November ausgiebig mit der Frage auseinandergesetzt, wie wir einen Ausweg aus dieser festgefahrenen Situation finden können. Darüber haben wir sowohl intern in der FDP-Fraktion als auch mit unseren liberalen Kollegen aus dem Europäischen Parlament intensiv beraten. Dabei waren wir uns weiterhin einig, dass man in Fragen der Rechtsstaatlichkeit keine weiteren Zugeständnisse an Ungarn und Polen machen darf. Denn es handelt sich hierbei um die Werte, welche für uns Liberale nicht verhandelbar sind. Dies haben wir der Bundesregierung immer wieder deutlich gemacht.
Am 10. Dezember erzielte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft einen neuen Kompromiss zum EU-Rechtsstaatsmechanismus. Zwar eröffnet dieser den Weg zur Verabschiedung des EU-Haushalts. Der Preis dafür aber ist sehr hoch: das entscheidende Prinzip – nur wer sich an demokratische Grundwerte hält, bekommt die EU-Gelder – kommt so gut wie nicht mehr zum Ausdruck. Stattdessen werden die Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit, die geahndet werden, ausschließlich auf die Haushaltsfragen begrenzt. Dabei können die Sanktionen dafür nur mit der hohen Hürde einer qualifizierten Mehrheit im Rat beschlossen werden. Außerdem soll die EU-Kommission den Mechanismus erst anwenden, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) über dessen Rechtmäßigkeit entschieden hat. Bis das Urteil vorliegt, können zwei bis drei Jahre vergehen, in denen Orbans Regierung ohne jegliche Konsequenzen für die Einschränkungen der Rechtsstaatlichkeit EU-Gelder beziehen kann. Diese Zugeständnisse an Ungarn und Polen gehen uns Freien Demokraten zu weit.
Allerdings drängt die Zeit und wir sollten uns zugleich stärker den vielen offenen Fragen nach der Umsetzung des neuen EU-Haushalts zuwenden. So bleibt unklar, wie genau die EU die 390 Mrd. Euro an Schulden aus dem EU-Wiederaufbaufonds zurückzahlen will. In den zahlreichen Debatten zum EU-Haushalt sowohl in der FDP-Bundestagsfraktion als auch im Europaausschuss des Bundestages habe ich mehrfach einen verbindlichen Rückzahlungsplan für den Zeitraum 2028-2058 gefordert. Außerdem betonte ich, dass die Verschuldung im Rahmen des EU-Wiederaufbaufonds einmalig bleiben muss. Kritisch sehen wir als FDP-Fraktion weiterhin den EU-Plan zur Einführung der neuen EU-Eigenmittelsteuer, wie Plastik-, Digital- oder Finanztransaktionssteuer, um diese Schulden zu begleichen. Denn bis heute bleibt unklar, wie diese Steuern konkret ausgestaltet sein werden bzw. mit welchem Steueraufkommen wir hier rechnen können. Bis dahin werden dafür weiterhin hauptsächlich die Beiträge der EU-Mitgliedstaaten verwendet, welche auf 2% des BIPs angehoben werden. Und das muss so gegenüber dem deutschen Steuerzahler klar kommuniziert werden, was die Bundesregierung bis jetzt allerdings versäumt hat.
Schon jetzt ist somit klar, dass das Thema EU-Haushalt uns auch im neuen Jahr 2021 weiterhin intensiv beschäftigen wird.